Alle Jahre wieder
Fotos: Jörg Koopmann
Die Welt steht uns heute offen. Trotzdem kehren viele Menschen immer wieder an denselben Urlaubsort in Tirol zurück. Der Tourismusforscher Jürgen Schmude erklärt, warum diese Bindung auch im Zeitalter der unbegrenzten Reisefreiheit überdauert.
Professor Jürgen Schmude
Herr Professor Schmude, warum fährt der Mensch eigentlich in die Ferien?
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente Urlaub fast ausschließlich der Erholung. Die Leute wollten neue Kraft schöpfen für das Berufsleben und fuhren deshalb im Sommer drei, vier Wochen ans Meer oder in die Berge. Heute verreisen die Menschen in erster Linie, weil sie etwas erleben wollen.
Jürgen Schmude
Jürgen Schmude ist Professor für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Autor zahlreicher Fachbücher.
Was hat sich noch verändert?
Uns stehen heute unfassbar viele Informationen über mögliche Reiseziele zur Verfügung – Zeitschriften, TV-Dokus oder die Instagram-Bilder von Freunden und Familie. Das macht uns natürlich neugierig und wir wollen diese Orte ebenfalls erleben und für uns entdecken. Der moderne Urlauber verreist häufiger und für kürzere Zeiträume als früher – und kehrt seltener an ein und denselben Ort zurück. Er will schließlich kein Abenteuer verpassen.
Urlauber sind also sprunghafter geworden?
Die Tourismuslandschaft ist heute einfach unglaublich vielfältig: Es gibt Fahrradreisen, Kulturreisen, Gourmetreisen, Rucksackreisen, Actionreisen. Und die meisten Menschen geben sich nicht mit einer Urlaubsart zufrieden, sie wollen Abwechslung und werden dadurch zu hybriden Touristen.
Und doch gibt es viele Menschen, die es jedes Jahr an ihren Lieblingsort in Tirol zieht. Was zeichnet diese Urlauber aus?
Ich würde vermuten, dass sie sich im Urlaub vor allem wohlfühlen wollen. Es ist ja auch ein gutes Gefühl, zu wissen, was einen erwartet. Stammgäste zieht es oft in kleine Herbergen, die von einer überschaubaren Anzahl Mitarbeiter und einem festen Inhaber geführt wird. Dadurch entsteht eine sehr persönliche Bindung zwischen Wirt und Gast.
Viele Urlauber kehren Jahr für Jahr an ihren Lieblingsplatz in Tirol zurück:
Ist der Stammgast eine gefährdete Spezies?
Mein Vater hat noch die Goldene Nadel von Norderney bekommen, weil er mehr als 75 Mal dort Urlaub gemacht hat. In Zukunft werden die Leute vermutlich nicht mehrmals im Jahr an einen Ort fahren und sich dem gleichen Programm widmen. Trotzdem werden sich die Menschen immer noch in Orte, Hotels und Täler verlieben. Gerade in Zeiten der fast unbegrenzten Reise-Möglichkeiten ist es ein enormes Kompliment, wenn man mehrmals in Folge an denselben Ort, noch dazu in dieselbe Herberge fährt.
Echte Gastfreundschaft
Viele Besucher kommen alle Jahre wieder nach Tirol. Und manche gehen seit Jahrzehnten stets in das gleiche Haus. Hier erzählen Stammgäste, warum sie sich in diesen einen Ort und die Menschen dort verliebt haben. Und die Tiroler Wirte verraten, warum ihnen manche Besucher so sehr ans Herz gewachsen sind.